Vergehen: Oper, die man sich erläuft

VERGEHEN ist eine Oper, die man sich erläuft. Laden Sie einfach die VERGEHEN App auf Ihr Smartphone, nehmen einen Kopfhörer mit und gehen an die Münchner Isar. VERGEHEN kann man sich an jedem Tag zu jeder Zeit und bei jedem Wetter erlaufen.
Akteure und Orte
Künstler
(Künstlerische Leitung, Komponist*in)
Publikum
Raum

Stellen Sie sich vor, Ihr Smartphone beginnt ein Gespräch mit Ihnen, verwickelt Sie in einen Diskurs über das Erinnern und Vergehen. Wie würde das klingen?

Es ist doch fast ein Faust’scher Pakt: das Smartphone lässt uns teilhaben an einem unendlich anmutenden Informations- und Wissensschatz, in Form eines kleinen persönlichen Begleiters. Im Gegenzug offenbaren wir ihm unser Persönlichstes und Innerstes und üben über die Berührung eine eigentümliche Form von Intimität damit aus.

Der Hörspaziergang VERGEHEN beschäftigt sich mit diesem Thema aus der futuristischen Sicht eines utopischen technischen Versprechens. Unsere Erlebnisse können mit einem Hirnstromrekorder für immer so konserviert und wiedergeben werden, daß wir die Erinnerung nicht mehr vom originalen Erlebnis unterscheiden können. Bisher müssen wir unsere Erfahrungen und Erlebnisse mühsam in Sprache, Kunst und Musik übersetzen, um sie kommunizierbar zu machen. Das wäre mit so einer Maschine nicht mehr nötig. Ob man das nun wirklich will, ist eine der Fragen, die VERGEHEN stellt.

Teaser

Der Hörspaziergang VERGEHEN lässt die reale Welt mit der Virtualität in klingende Interaktion treten: unbedingt empfehlenswert für klangliebende Flaneure!

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Musikalisches Programm

Mathis Nitschke (*1973): Vergehen

Besetzung

Gesang: Sarah Aristidou

Sprecher: Sarah Aristidou, Mathis Nitschke, Google Android

Cello: Anja Lechner

Elektronik: Mathis Nitschke

Aufführungen

Seit 2017 an der Münchner Isar

Credits

Ermöglicht durch das Projektstipendium Junge Kunst / Neue Medien für Musik 2015 der Landeshauptstadt München

Trailer

Wer Spaß an Gesang, zeitgenössischer Oper und dem Spiel mit GPS, Ort, Wetter, Wind und Zeit hat, dem sollte das gefallen.

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Nachgefragt

Welche besonderen gestalterischen Mittel wurden eingesetzt und warum? 

Als Smartphone-App ist VERGEHEN jederzeit gehbar. VERGEHEN nutzt den GPS-Empfänger, um den Ablauf der Musik an das Spaziertempo anzupassen und ortsbezogen abzuspielen. Sowohl der Text wie auch die Musik wurden vom Münchner Komponisten Mathis Nitschke auf den Weg genau abgestimmt.

Beschreibe den künstlerischen und kreativen Entstehungsprozess.

Die Isar und insbesondere dieser Spazierweg am Auer Mühlbach und über den Kabelsteg haben mein ganzes Leben begleitet und geprägt. So wie das Wasser unaufhörlich die Isar hinunterfließt – mal wenig, mal viel – geht das Leben halt so seinen Gang. Momente verbinden sich mit der Isar, jeder erneute Spaziergang bringt Vergangenes in Erinnerung. Diesen Prozess wollte ich auf poetische Weise erfahrbar machen. Gleichzeitig hatte ich nach zwei großen Opernuraufführungen das Bedürfnis, das Opernerlebnis auch außerhalb des Opernhauses erfahrbar zu machen. Neben der räumlichen Loslösung vom Opernhaus löse ich mich mit "Vergehen" zeitlich von einem Spielplan. Die Oper als App ist jederzeit und hoffentlich für lange Zeit in der Zukunft verfügbar. Trotzdem baue ich hier eine künstliche Verknappung ein: man muss sich die Oper selbst erlaufen. So, wie man sich zunächst zum Opernhaus bewegen muss, um von der Musik bewegt werden zu können, muss man sich hier erstmal selbst in Bewegung bringen. Ich glaube schon, dass Spiele wie Pokemon Go daraus auch ihren Spielspaß ziehen. Wenn man nur im Sofa rumlümmelt, erlebt man halt nichts.

Welche Erfahrungen in Bezug auf dieses Projekt könnt Ihr mit anderen teilen? Was war positiv, was war negativ? Was hat funktioniert, was nicht?

Meine technisch-klanglichen Ansprüche waren und sind sehr hoch. Ich wollte ausprobieren, ob eine interaktive App die selben klanglichen Ansprüche erfüllen kann wie eine nicht-interaktive CD. Das ist in der Tat möglich. Die Qualität der Arbeit liegt in der engen inhaltlichen Verzahnung mit der Umgebung, für die sie konzipiert ist. Das ist auch gleichzeitig ihre Achillesferse, lässt sie sich doch auch nicht an andere Stellen versetzen. Es gibt also leider keine Skalierbarkeit. Außerdem habe ich gelernt, dass es einfach ist, Menschen von einer Idee zu begeistern. Die Leute dazu zu bringen, sich eine App herunterzuladen ist dann schon schwieriger. Dass sie dann aber auch noch sich auf den Weg zur Isar machen, kostet offensichtlich Überwindung.

Welche Parameter haben Euch eingeschränkt, was die größte Herausforderung? Wie seid ihr damit umgegangen? 

So erstaunlich leistungsfähig heutige Smartphones sind, irgendwas fehlt dann doch immer. Z.B. sind die GPS Empfänger in Smartphones von minderwertiger Qualität.

Was habt Ihr persönlich aus diesem Projekt gelernt? 

Es ist extrem aufwendig, interaktive Projekte wirklich zu Ende zu entwickeln. Der Testaufwand kann gar nicht überschätzt werden.