Kafka-Fragmente

Wie vorüberwehende Sprachfetzen, assoziative Erinnerungen, scheinbar ohne Zusammenhang, erzählt diese Musik traumartig von Pferden, die mit wehenden Mähnen vom Himmel herunterstürzen, vorbeifahrenden Zügen, Diven in Straßenbahnen, unzähligen Verstecken, blendenden Mondnächten und vielem mehr.

„Die Guten geh’n im gleichen Schritt. Ohne von ihnen zu wissen, tanzen die Andern um sie die Tänze der Zeit.“ – Das ist einer der einprägsamen Sätze aus Kafkas Tagebüchern, die György Kurtág in seinem Liederzyklus für Sopran und Geige auf unnachahmliche Weise vertont hat. Wie vorüberwehende Sprachfetzen, assoziative Erinnerungen, scheinbar ohne Zusammenhang, erzählt diese Musik traumartig von Pferden, die mit wehenden Mähnen vom Himmel herunterstürzen, vorbeifahrenden Zügen, Diven in Straßenbahnen, unzähligen Verstecken, blendenden Mondnächten und vielem mehr. Sowohl Kafkas Sprache, als auch die Charakteristik dieses kleinstmöglichen Ensembles lassen dabei Zwischenräume entstehen für das Nicht-Gesagte, für das, was hinter den grellen Oberflächen liegt – das Rauschen der Unendlichkeit. Die Inszenierung von Malin Nagel erkundet mit Marie Heeschen (Sopran) und Anna Neubert (Violine) den Liederzyklus in szenischer Form.

Hier bewegten sich beide Interpreten im Grenzbereich von Musik, Theater, Literatur und Performancekunst...Hier zählt nicht eins mehr als das andere, der Gesamteindruck und das Ineinandergreifen der Künste ist hier das Entscheidende. 

G. Krawinkel, Bonner Generalanzeiger, Februar 2017

Musikalisches Programm 

G. Kurtág (*1926), Kafka-Fragmente op.24

Besetzung

Marie Heeschen, Sopran

Anna Neubert, Violine

Malin Nagel, Regie

Thea Soti, Sprachaufnahmen

Bisherige und kommende Aufführungen

Bonn, Theater im Ballsaal, 19.02.2017

Köln, Alte Feuerwache, 09.03.2017

Staatstheater Mainz, 17.09.2017

Kiel/Mielkendorf, Rosengarten, 26.05.2018

Köln, Konzertraum Sinngewimmel, 29.09.2018

Hamburg, Körber Stiftung, 31.08.2020 (konzertant bei „2xHören“)

Credits

Gefördert durch das Kulturamt der Stadt Köln

 

Nachgefragt

Welche besonderen gestalterischen Mittel wurden eingesetzt und warum? Welches dramaturgische/szenische Konzept wurde verfolgt?

Die Mittel der szenischen Darstellung sowie eine sparsame Bühnengestaltung und Verwendung von Requisiten erlauben uns besonders die literarischen, theatralen und biografischen Ebenen der „Kafka-Fragmente“ in der Aufführung stärker mitschwingen zu lassen. Diese Ebenen sind auf faszinierende Weise in Kurtágs Musik verwoben - nicht nur bei den Kafka Fragmenten - und sie weisen auch schon im Notentext über den bloßen Klang hinaus, z.B. durch eine namentliche Widmung, durch den Vermerk des Kompositionsdatums oder manchmal auch durch szenische Vorgaben (z.B. mit welcher Emotion gespielt/gesungen werden soll, wie sich Sängerin und Geigerin aufstellen sollen).

Es entsteht ein Raum, in dem sich die beiden Musikerinnen zwischen den wenigen Requisiten - einem Diaprojektor ohne Dias, ein Kassettenrekorder, Zeichenmaterial, Alufolie, einigen Möbel, wie zwischen Erinnerung und Vergessen, zwischen fragwürdigen Identitäten bewegen.

Wie kann man sich den künstlerischen und kreativen Entstehungsprozess vorstellen?

Der szenischen Arbeit mit Malin Nagel ging die intensive musikalische Auseinandersetzung mit dem fünfzigminütigen Liederzyklus voraus, sowie das Auswendiglernen eines Großteils der Fragmente. Gemeinsam mit Malin Nagel wurde dann eine Auswahl der Fragmente getroffen. Parallel dazu erfolgte eine intensive Auseinandersetzung mit Kurtágs und Kafkas Biografien. Auf YouTube finden sich Videos von Kurtág, in denen er vierhändig mit seiner Frau Marta Klavier spielt, die Intensität und Intimität die aus diesen Videos sprechen, waren eine große Inspiration für die Stimmung der „Kafka-Fragmente“. Gleichzeitig entstanden in Zusammenarbeit mit der Stimmkünstlerin Thea Soti kurze Kassetteneinspielungen, die einige von Kafkas Texten in unterschiedlichen Sprachen erkunden und punktuell das Geschehen auf der Bühne ergänzen.

Welche Erfahrungen in Bezug auf dieses Projekt könnt Ihr mit anderen teilen? Was war positiv, was war negativ? Was hat funktioniert, was nicht?

Die intensive Auseinandersetzung mit Kurtágs Musik war und ist enorm bereichernd, zumal die szenische Fassung der „Kafka-Fragmente“ von Publikum mit unterschiedlichsten Hörgewohnheiten bisher immer sehr positiv aufgenommen wurde, da sich die Emotionalität von Kurtágs Musik offensichtlich sehr direkt kommuniziert. Entscheidend ist, dass sich zu Beginn des Konzerts eine bestimmte Stimmung etablieren kann. Da das Konzert schon beim Publikumseinlass beginnt ist daher ein zügiger Einlass wichtig. Wo dies nicht der Fall war fiel es viel schwerer die gewünschte Stimmung im weiteren Verlauf zu erzeugen.

Welche Parameter haben Euch eingeschränkt, was war die größte Herausforderung? Wie seid ihr damit umgegangen? 

Um szenisch frei agieren zu können war es notwendig einen Großteil der Kafka-Fragmente auswendig zu lernen, weshalb wir das Projekt mit einem Vorlauf von zwei Jahren angegangen sind.

Was habt Ihr persönlich aus diesem Projekt gelernt? 

Ursprünglich hatten wir eine weitere szenische Ebenen mit Videoprojektionen geplant. In diesem Fall war die Entscheidung etwas weg zu lassen genau das richtige.