Silk Road Festival: Resonanz der eigenen Wahrnehmung

Eine Route, die jahrhundertelang Kontinente verbindet. Eine Route, die für Krieg und Frieden sorgt. Diese eine Route ist das größte globale Sinnbild für einen inter- und transkulturellen Austausch: die Seidenstraße. 

Die historische Seidenstraße wird oft mit den Abenteuern des Marco Polo, Luxuswaren und Kamelkarawanen assoziiert, während die politische Dimension rund um Sklavenhandel und Pestepidemie meist ausgeblendet wird, jedoch ebenso in die künstlerische Auseinandersetzung einfließt wie die aktuellen Konflikte zwischen Regierungen und Bürgerschaften an der Seidenstraße: Durch das chinesische Mega-Infrastrukturprojekt “One Belt – One Road” ist die seit dem 15. Jahrhundert sukzessive aufgegebene Handelsroute aktuell wieder von großer Bedeutung für Geopolitik und Welthandel. Die traditionelle Route auf dem Festland wurde auf den Pazifik ausgeweitet. Allein in den letzten fünf Jahren wurden 2.600 verschiedene Bauprojekte in insgesamt 139 Ländern angestoßen.

Auf diesen Umbruch reagiert das SILK::ROAD Festival und schafft Wege zum kulturellen Austausch. Das Projekt sucht die künstlerische Auseinandersetzung zwischen alten Traditionen und zeitgenössischen innovativen Darstellungsformen. Seltene Volksinstrumente treten aus ihrem Kulturraum heraus und werden in einem neuen Kontext präsentiert. Beim SILK::ROAD Festival geht es um unmittelbare ästhetische Erfahrungen, bei denen alle Sinne angesprochen werden: Konzerte, Installationskunst, Projektionen, Tanz und Kulinarisches verbinden sich mit Tradition und Innovation und machen sie für das Publikum erlebbar. Die Musik als künstlerischer Ausdruck und das Konzert als Form stehen im Mittelpunkt, wobei alle sinnlich erlebbaren Elemente die Darbietung ergänzen. Durch diese multisensorische Rezeption und die neuen Bühnen- und Raumgestaltung verlässt das Publikum die passive Rolle und geht aktiv in Resonanz mit der eigenen Wahrnehmung. Die einzelnen Programmpunkte werden miteinander verbunden und die Grenzen zwischen den einzelnen Stücken verschwimmen.
 

 

Wundervolle, überraschende, beglückende Konzertmomente nämlich, die im Alles-wie-immer Modus viel zu selten vorkommen.”

Hamburger Abendblatt

Die Komponistin und Konzertdesignerin Jelena Dabic bricht mit Ihren Konzepten mit alten Strukturen, um den Zuschauern die Berührungsängste vor aktueller Kunst und anderen Kulturen zu nehmen und die Entfremdung der Künstler*innen von der Zuschauerschaft aufzuheben. Ihre Wahrnehmung als Synästhetikerin brachte für sie die Notwendigkeit mit sich, neue Konzertformate zu entwickeln, die viel ganzheitlicher angelegt sind. Eine gleichzeitige Wahrnehmung von Farben, Formen, Gerüchen und Klänge führte dazu, dass sie zunächst in Ihrem kompositorischen Werk und dann auch bei der Konzertgestaltung andere nicht-musikalische Elemente hinzufügte und damit ihre eigene Wahrnehmung zu vermitteln versuchte. So entstanden Konzerte, die man nicht nur sehen und hören, sondern auch schmecken, riechen und/oder spüren kann.

 

Das Kernziel des Projekts ist die Vorstellung der jeweiligen Kultur- und Musiktraditionen in ihrem ursprünglichen und aktuellen Kontext. Die Authentizität der Musik spielt dabei eine entscheidende Rolle. Musiker*innen aus der Ländern der Seidenstrasse, die traditionelle, in Europa meist unbekannte Instrumente spielen, werden nach Hamburg eingeladen, um neue Produktionen zu erarbeiten. So bildet das SILK::ROAD Festival jedes mal neue Ensembles aus internationalen und in Deutschland lebenden Musiker*innen, und kondensiert diese künstlerische Zusammenkunft auch in eigens für die jeweilige Besetzung zugeschnittenen Kompositionen.

 

Autor: Dominik Nürenberg