OMG Schubert: Du hast es so gewollt

Schuberts Melodien haben bis heute überlebt, die Winterreise wird auf und ab gesungen. Was ist der Ton, die Grammatik dieser Komposition, die uns so sehr anmacht? OMG Schubert nähert sich dieser Frage. Mit allen Mitteln des Konzertdesigns rücken die zwei klassisch ausgebildeten Multiinstrumentalisten an, um der Sache auf einen Grund zu gehen.

Schuberts Melodien haben bis heute überlebt, die Winterreise wird auf und ab gesungen. Unter den knapp 1000 Schubert Liedern gibt es einige Besondere, die uns fortreißen, die uns fassungslos hinterlassen. Beglückt, mit Trauer erfüllt, abgefuckt oder von Freude übermannt. Was unterscheidet diese Kompositionen? Was ist der Ton, die Grammatik dieser Komposition, die uns so sehr anmacht? OMG Schubert nähert sich dieser Frage. Justus Wilcken und Konstantin Dupelius haben sich auf Recherche begeben und Kompositionen ausgewählt, die für sie so zeitlos und real sind, wie der Junkie am Leopoldplatz. Mit allen Mitteln des Konzertdesigns rücken die zwei klassisch ausgebildeten Multiinstrumentalisten an, um der Sache auf einen Grund zu gehen. Dabei werden die Lieder verfremdet, neu gedacht, rekomponiert und inszeniert. Manchmal erklingt ein Lied unverändert. Es wird ein Dialog gesponnen zwischen damals und heute, der sich in den großen Fragen des Seins ergießt – YOLO? Gemeinsam mit Wilhelm Rinke werden hierzu visuelle Formen gefunden, die diesen Diskurs ins rechte Licht rücken. Eines ist sicher, Schubert wurde so noch nicht gehört und gesehen! 

...Dabei streifen sie düstere Electronica-Elemente über das Liedgewand und instrumentieren es zusätzlich mit Synthesizer und Gitarre. Schuberts Lieder erlangen dadurch eine noch größere Tiefe und erreichen eine solche Prägnanz und Dringlichkeit, dass sie auch in großen Mehrzweckhallen ihren Mehrwert hätten und nicht nur in Konzertsälen gut klingen würden.                

Paul Littich, Terzwerk
 

Nachgefragt

Welche besonderen gestalterischen Mittel wurden eingesetzt und warum? Welches dramaturgische/szenische Konzept wurde verfolgt?

Die Verknüpfung der technischen Komponenten und der musikalischen Bearbeitung des Materials führen zu einem Abend, der mehr als Gesamtkunstwerk zu sehen ist und über eine reine Rekomposition hinaus geht. Das OMG Lied-Duo will den mitreißenden Moment auf allen Ebenen bedienen, mit ihm spielen und zur Not brechen, das Lied zwischen Banalität und Hochkultur oszillieren lassen bis die Neuronen platzen. Wenn der Sänger sich seiner klassischen Stimme bedient, während er sich gegen die elektronischen Klänge stemmt, wird die Grenze der digitalen, verstärkten und der analogen, akustischen Welt perforiert. Der Abend wird durch die Videoinstallation, die zugleich als Bühnenbild dient, zur multimedialen Performance. Visuell wird mit zwei 140x200cm Leinwänden gearbeitet, die durch zwei Beamer bestrahlt werden. Die Screens stehen auf der Bühne und rahmen das Duo ein. Um den Klang von Klavier, Gitarre und Stimme live zu verfremden und mit Synthesizer und Sampling zu erweitern, ist ein Live-Elektronik-Set aufgebaut. Das Licht wird in Abhängigkeit vom Saal minimal angesteuert, sodass die Projektion und die Musik das Setting bestimmen. 

Beschreibt den künstlerischen und kreativen Entstehungsprozess.

Impuls des Projekts war die Idee, mit klassischen Liedern neu umzugehen, sie radikal zeitgemäß zu interpretieren. Wir haben uns einen Tag lang durch den uferlosen Liederkosmos von Franz Schubert gehört, über Komposition und Vertonung diskutiert und uns mitreißen lassen. Am Ende waren es 11 Kompositionen, mit denen wir uns beschäftigen wollten, 11 Kompositionen, die auch heute noch absolute Relevanz besitzen. Wir haben uns gefragt, was die Kompositionen unterscheidet? Was ist der Ton, die Grammatik dieser Komposition, die uns so sehr anmacht? Und haben diese Fragen als Impulse genommen, Lieder neu zu komponieren, anhand der Lieder zu improvisieren, sie in andere Genres zu versetzen, mit neuen Texten zu erweitern. So entstanden 10 neue Kompositionen, die teils sehr nah am Original bleiben, teils weit entfernt genreübergreifend rekomponiert wurden. Eines der Lieder spielen wir immer noch im Original. Den Rekompositionsprozess begleitet hat Wilhelm Rinke, der zu unseren Impulsen seine Videokunst entwarf.

Welche Erfahrungen in Bezug auf dieses Projekt könnt Ihr mit anderen teilen? Was war positiv, was war negativ? Was hat funktioniert, was nicht? 

Da die Projektidee recht simpel zu vermitteln war, hatten wir in Bezug auf Förderungen, Projektpartner und Spielstätten wenig Probleme. Grundsätzliches Problem war allerdings die Akzeptanz seitens des klassisch orientierten Konzertbetriebs; unser erster Projekttrailer widerspiegelte nur einen Teil unserer vielseitig in Bezug auf Stilistiken und Genres ausgerichteten Rekompositionen. Er spiegelte die klassische Seite so gut wie gar nicht wieder. Das hat uns die Tür bei diversen Veranstaltern und Förderern verschlossen, die sich einen größeren Bezug zur Klassik wünschten. Diesen können wir erst jetzt, nach unserer ersten Deutschland-Tour dank entsprechender Dokumentation auch vorweisen.

Was habt Ihr persönlich aus diesem Projekt gelernt? 

Künstlerisch war es unser erstes Projekt, das sich auf diese Weise mit dem klassischen Lied auseinandersetzt. Klar ist nun, dass wir damit weiter machen wollen und neue Programme entwickeln werden. Da wir das Programm fast autark im Duo organisiert und auch die erste Tournee selbst auf die Beine gestellt haben, blieb zeitweise nur noch wenig Zeit für das künstlerische übrig, was wir in Zukunft anders gestalten und organisieren möchten.

Welche Parameter haben Euch eingeschränkt, was die größte Herausforderung? Wie seid ihr damit umgegangen?

Wie bereits in den obigen Fragen beschrieben, haben uns besonders die Erwartungen des klassischen Konzertbetriebs eingeschränkt und die parallele Organisations- und künstlerische Arbeit.

Projektpartner
Förderer
OMG Schubert - Atlas