Es geht nicht um »neue Formen« versus »traditionelle Konzerte«, sondern um möglichst vielfältige Angebote für ein vielfältiger werdendes Publikum mit unterschiedlichen Bedürfnissen.
Der Regisseur des modernen Regietheaters hat Aktualisierung und Deutung zum Prinzip seiner Inszenierungen erhoben. Der Kurator tritt als Interpret und künstlerischer Forscher im Ausstellungsbereich auf. Doch in der Musik hat eine Normierung und Ritualisierung des Konzertformats eine Weiterentwicklung seit dem 19. Jahrhundert weitgehend verhindert.
Die ‚Heiligsprechung’ des Werkes im 19. Jahrhunderts im Zuge der philosophischen Ästhetik hat zu einer zunehmenden Distanzierung zwischen Bühnengeschehen und Publikum geführt. Wie lässt sich die daraus gewachsene Selbstreferentialität des Konzerts aufbrechen, um neue Anknüpfungspunkte und Identifikation für ein neues Publikum zu schaffen?
Ob Bach, Beethoven oder Brahms, – sie alle waren zu Lebzeiten zeitgenössische Komponisten, die mit der größten Selbstverständlichkeit von ihren Zeitgenossen aufgeführt, rezipiert und diskutiert wurden. Das, was heute als Klassische Musik bekannt ist, war einst die neuste und populäre Musik.
In Hinblick auf ein zunehmend multi-optionales und erlebnisorientiertes Kultursystem wird die Entscheidung eines potentiellen Konzertbesuchers heute nicht mehr nur zwischen Konzert, Oper oder Theater getroffen: Kino, Club sowie „der Italiener um die Ecke“ konkurrieren mit dem Abendkonzert.
Bei den Fragen, wie die Kulturangebote der Zukunft aussehen könnten, wer die Besucher und Kulturschaffenden von morgen sind und wie sich gar zukünftige Überschneidungen zwischen Kulturnutzung, Kulturproduktion und Kulturgestaltung äußern, sind neue Beteiligungsformen und interaktive Musikwahrnehmung von zunehmender Bedeutung.
Was vor 20 Jahren fast undenkbar schien, ist nun Realität geworden: Die so genannte Alte Musik ist in den großen Konzertsälen und Veranstaltungsreihen angekommen. Doch gleichzeitig scheint für den anfänglichen Pioniergeist nur wenig Platz zu sein. Wie kann die Alte-Musik-Szene zurück zu ihren Wurzeln finden und innerhalb der Zwänge eines etablierten internationalen Marktes innovativ sein?
‚Das’ Klassikpublikum in Deutschland ist eine schwierig zu erfassende Größe. Die demografische Entwicklung in Deutschland spiegelt sich auch in der Publikumszusammensetzung klassischer Konzerte wider. Diese demographischen Entwicklungen werfen einige Fragen auf, aber ist das Konzertwesen tatsächlich vom Altern des Publikums und einem damit verbundenen Publikumsrückgang betroffen?
Die Wahrscheinlichkeit, dass eine nachwachsende Generation von Musikkonsumenten gar kein Interesse mehr an klassischer Musik hat, weil weder die Eltern noch sie selbst damit sozialisiert wurden oder in der Schule und in den Medien damit konfrontiert wurden, wächst. Sind die frühe Musikrezeption und das eigene aktive Musizieren entscheidend für den späteren Umgang mit klassischer Musik?
Was bedeutet das klassische Konzert als künstlerische und relevante Plattform heute? Was bedeutet „betterconcerts“? Warum braucht es bessere Konzerte? Was heißt eigentlich besser und wie lässt sich das bewerten? Ein Interview mit der Moderatorin Friederike Holm und Julian Rieken (Künstlerischer Leiter, betterconcerts.org) über Hintergründe und Ziele der Plattform im Kontext einer sich rasant wandelnden Musikszene.